Vor ein paar Tagen schrieb ich drüben auf Facebook:
Gerade habe ich ganz schreckliche Sehnsucht. Nach was? Keine Ahnung.
Vielleicht nach Meer, nach dem Leben, vermischt mit Fernweh und Wehmut. Aufbrechen, etwas Neues machen. Ruhe finden, ankommen. Zeit haben. Geht euch das auch manchmal so!?
#achichweißauchnicht
Viele scheinen das zu kennen, denn es gab einige Kommentare dazu! Die eine steigt in ihren Bus und fährt einfach los, etwas Neues sehen und die Sehnsucht stillen. Die andere verreist in wenigen Tagen ans Meer, ganz allein mit sich und den Gedanken. Immer wieder neu durchstarten wollen, das kam einigen bekannt vor. Ein Grund, um zu überlegen, was denn da eigentlich zieht.
Als ich 1993 für ein paar Monate in meiner Herzensheimat Stockholm lebte, lernte ich dieses Sehnsuchtsgefühl das erste Mal richtig kennen. Kein Heimweh – aber ein Gefühl, dass mich immer wieder (nicht lachen!) zum Hauptbahnhof trieb: Dort zu schauen, welche Züge wohin abfahren, diese gespannte Stimmung zwischen Vorfreude und Erwartung zu spüren. Verbunden mit dem Gefühl: Wenn ich jetzt in diesen oder jenen Zug einsteigen würde, wäre ich in ein paar Stunden in Kiruna oder Kopenhagen.
„Res dig ur krisen!“
So lautete ein damaliger Werbeslogan der schwedischen Bahn. Das kann sowohl „Reise dich aus der Krise“ aber auch: „Reiß‘ dich heraus der Krise“ heißen. Ich fand das damals unglaublich passend: An einen anderen Ort zu fahren, um eine Krise zu überwinden, das entsprach genau meinem damaligen Gefühl. Ging natürlich nicht immer.
Ein anders Schlagwort war damals LÄNGTAN: Das schwedische Wort für Sehnsucht – tja, es erweckte schon die Sehnsucht. Ich erinnere mich, dass ich es gerne am Strand in den Sand schrieb. Schnell wieder überspült vom Meer, und doch noch da, im Herzen.
Klingt das etwas melancholisch? Vielleicht. Melancholie, auch dieses Wort mag ich. Es gab in Berlin sogar einmal eine Ausstellung zu diesem Thema. Für mich schwingen Schlagworte wie Traum, Vergessenheit, Sehnsucht und eine leichte (nun ja) Weltvergessenheit darin mit. Manchmal auch etwas Traurigkeit.
Ich glaube, hochsensible Menschen sind so – jedenfalls passt es zusammen. Wir denken vielnach: Oft beschäftigt mich das eigene Kopfkino genauso viel wie die Realität selber. Ich hänge schönen Erlebnissen nach, wie dem letzten Urlaub in Schweden. Und das führt dann natürlich auch zu Sehnsüchten.
Weltflucht an den Traumort
Auch der Wunsch nach Ruhe und Entspannung schwingt darin mit. Mich aus der Welt einie Weile zurückzuziehen. Auf mich selber zu konzentrieren. Gedanken widerkäuen, Erlebtes verarbeiten.
Und vielleicht auch einen Sehnsuchtsort zu haben: Meiner ist ein kleines rotes Haus am Meer, auf den Klippen. Viel Aussicht über das Wasser und den Himmel. Im Garten eine große Kastanie mit einer gemütlichen Bank darunter.
Als Scanner-HSP brauche ich aber auch immer neue Reize. Wenn ich das Gefühl habe, zu lange auf der Stelle zu treten, werde ich unruhig: Egal, ob zu Hause, im Job, an einem Ort, ja, selbst im Urlaub. Deshalb wären zwei Wochen nur am Strand der Horror für mich. Da passiert ja nix!
Das kollidiert doch mit dem oben beschriebenen Wunsch nach Ruhe, sagt ihr? Richtig – und wir sind mitten im „Scanner-Dilemma“. Doch das ist ein anderes Thema! 😉
Geeignete Gegenmittel
Was tue ich gegen dieses Sehnsuchtgefühl? Manchmal helfen ganz einfache Dinge:
- Spazieren gehen oder wegfahren – und „Landschaft tanken“
- Fotos durchstöbern nach schönen Momenten: dem letzten Urlaub, der Herzensheimat, von tollen Erlebnissen
- Lieblingsmusik hören
- Wenn das alles die Sentimentalität nur noch steigert, hilft mir tatsächlich Sport. Das erdet und macht den Kopf frei, schaltet das Kopfkino ab.
- Und natürlich: Schokolade essen und Giraffen besuchen!
Und ja, manchmal sind die Tage einfach solche „Zieh-Tage“. Da hilft dann eben alles nichts…
Was sind denn eure Gegenmittel?