Meist bin ich mit meiner Hochsensibilität ja im Einklang. An anderen Tagen erwischt sie mich aber eiskalt von hinten. Wir wollten nämlich ins Kino..
Schon länger geplant (also noch nicht mal spontan!) und sogar schon einmal verlegt. Ich wache an diesem Tag mit Kopfschmerzen auf. Gehe zum Sport. Alles ist soweit okay, allerdings gibt es da noch diesen Kinotermin.
Ich war noch nie eine ausgesprochene Cineastin. Und ich ging in den letzten Jahren immer seltener. Mir ist es zu unkontrolliert: Der Ton lässt sich nicht regulieren. Die Sitzposition ist festgeschrieben. Ich kann nicht auf ‚Pause‘ drücken, weil ich mir etwas zu trinken holen möchte.
Nun rückte also der Termin der Abfahrt näher. Noch eine halbe Stunde. Die Kopfschmerzen nehmen wieder zu. Ich stehe nervös im Wohnzimmer und merke: Das kann ich jetzt nicht die ganze Zeit machen. Ich beschließe mich noch ein paar Minuten ins Bett zu legen. Powernap. Vielleicht entspannt mich das.
Das Gegenteil ist der Fall. Ich überlege, zu Hause zu bleiben. Die Vorstellung, was ich statt des Kinobesuchs alles machen könnte, überwältigt mich. Allein und in Ruhe auf dem Sofa sitzen. Etwas lesen. Stille genießen. Das Alternativprogramm winkt mit „Star Wars“, also eher lautem Kampfgetümmel, viel Werbung vorab – und Überlänge.
Als ich wieder aufstehe, merke ich: Es geht wirklich nicht. Von Emotionen geschüttelt, unter viel Zittern und Tränen berichte ich der Familie, dass sie ohne mich fahren sollen. Nein, ich bin nicht krank. Mir geht es nur nicht gut und ich habe Angst, ins Kino zu gehen.
Ich überlege, ob ich nicht gerade eine Angststörung entwickle. Aber es ist weder mit extremen Herzrasen verbunden, ich will nicht in die Notaufnahme und habe auch keine Angst zu sterben. Und auch nicht die „klassische“ (Platz-)Angst, im Kino eingesperrt zu sein. Ich will da einfach nicht hin.
Angst vor der Überflutung
„Zu viele Reize von außen können HSP schnell überfordern„, schreibt Heike Thormann auf ihrem Blog, und gibt den Tipp: „Achten Sie auf Ihre diesbezügliche Empfindlichkeit. Watte im Ohr kann zum Beispiel Dolby-Surround-verwöhnte Action-Filme im Kino erträglicher machen.“
Das ist ein guter Tipp, allerdings hört sich „erträglicher machen“ eben nicht nach Genuss an, sondern nach „aushalten können“. Nichts, weswegen ich gerne ins Kino gehen würde. Sondern eher etwas, das meinen Fluchtreflex bzw. Vermeidungsstrategien weckt.
Wenn man über Angststörungen spricht, ist die Rede davon, dass man sich den Ängsten stellen sollte. Hochsensible dagegen leben mit offenen Filtern und nehmen Reize von außen stärker wahr als andere. Geräusche, Bilder und auch Menschen oder Gefühle hinterlassen viel mehr Eindrücke und müssen verarbeitet werden. Eine Reizüberflutung ist vorprogrammiert – an manchen Tagen mehr als an anderen, weiß auch Blogger Uwe B. Werner.
Im Fall meines Kinobesuchs war’s wohl das Wissen darum, mich einer Reizüberflutung auszusetzen. Schon oft genug hatte ich das bei vorherigen Kinobesuchen erlebt. (Und selbst bei schönen oder ruhigen Filmen bewegt und verarbeitet mein Hirn das Gesehene ja noch tagelang weiter…!)
Gepflegt mal etwas sein lassen
Vielleicht hilft in solchen Situationen tatsächlich nur das Bauchgefühl. Oder auf sein eigenes Herz zu hören. Oder es ist eine Lektion, um zu lernen, auch mal nein zu sagen. Ich weiß jetzt, dass Kino einfach nicht mein Ding ist. Ein Leben ohne ist für mich möglich.
Sozialphobisch sollte man natürlich nicht werden. Aber da bin ich beruhigt: Im Jazzkonzert neulich war’s gut. Und auch im Theater. Beides kein Problem. Geht also.
Danke, liebe Inga, für diesen Beitrag! Ich bin auch so eine etwas HSP. Manchmal ist es auch gut, wenn wir viel wahrnehmen und damit Dinge weitergeben, die andere Menschen, mit denen wir unterwegs sind, nicht bemerkten. Jedoch dann wieder könnte ich darauf verzichten, sämtliche Antennen auf Empfang zu haben. So kann ich sehr gut nachempfinden, wovon du hier schreibst. Dennoch habe ich allen Patenkindern gwünscht, feinfühlige Menschen zu werden und nicht in Oberflächlichkeit zu leben. Manchmal wäre der Weg durch unser Leben dann vielleicht einfacher, aber was würde ich nicht alles erleben, ersinnen können? In diesem Sinn meiner Worte hier, wünsche ich dir jetzt eine gute, ruhige Zeit zwischen den Jahren.
Herzliche Grüße
Geertje
vom Wandelsinn.de